AUSTRALIEN-GESCHICHTEN
AUSTRALIEN-GESCHICHTEN

Ja, zu Philosophen

Ein Streifzug durch Australiens Pub- und Bierkultur – mit Klaus Kilian

 

 

Australier trinken gerne Bier, aber jede Region bevorzugt eigene Biersorten. 1796 öffneten die ersten legalen Pubs in Sydney und Parramatta. Heute gibt es in Down Under 6000 Gasthäuser, die sich traditionell ‚Hotel‘ nennen.

 

Die australischen Reiseportale und -Magazine veröffentlichen regelmäßig Ranglisten der besten Kneipen. In den Charts tauchen immer die gleichen Namen auf:

 

Pub With No Beer, Taylor Arms, NSW – in dem der gleichnamige Slim Dusty-Song entstand.

Palace Hotel, Kalgoorlie, WA – in dem der 31. US-Präsident viele nette Stunden verbrachte.

Walkabout Creek Hotel in Mckinlay, Queensland – bekannt aus den Crocodile Dundee-Filmen.

 

Foto: Facebook @thepubwithnobeertaylorsarm

 

Im Laufe der Jahre nutzte ich die Gelegenheit, die Arbeit der Kollegen zu überprüfen: So gehörte beim Besuch von Freunden in Scotts Head die Fahrt zum Pub With No Beer zur Tradition.  Die Steaks und der Gerstensaft mundeten köstlich. Aber über den Ursprung des Evergreens gibt es etliche Versionen: Angeblich entstand der Songtext im 2. Weltkrieg, als US-Soldaten zum Leidwesen der Einheimischen das Day Down Hotel in Ingham leertranken.

 

Foto: palacehotelkalgoorlie.com

 

 

 

Auch die Drinks in Kalgoorlie sagten meinem Gaumen zu. Doch Herbert Hoover arbeitete bereits als junger Mann in Westaustraliens Goldfeldern – lange bevor er 1929 US-Präsident wurde.

 

 

 

Walkabout Creek Hotel – Foto: Facebook

 

 

Und jeder Tourist weiß mittlerweile, dass die Filmaufnahmen zu Crocodile Dundee nicht im Walkabout Creek Hotel in Mckinlay,

sondern in Filmstudios in Sydney stattfanden.

 

Nun lässt es sich über die Qualität von Getränken und Speisen trefflich streiten. Ich bewerte bei Kneipenexpeditionen weder die Historie, die Einrichtung noch den Service. Mir geht es allein um die Frage: ‚Wie viele glückliche Stunden habe ich in dem Pub verbracht?‘

 

Bevor ich Ihnen meine Lieblingspubs verrate, sollten wir aber unbedingt das Thema ‚Bier‘ behandeln: Natürlich musste ich das Rüstzeug hart erarbeiten! Das Bierdiplom erwarb ich bei einer Veranstaltung, zu der australische Brauereien eingeladen hatten.  An den Tag erinnere ich mich nur schemenhaft. Das erworbene Wissen vermittle ich gerne weiter:

 

In dem riesigen weißen Zelt fanden sich etwa 20 Gruppen zur Verkostung ein: Marketingleute, Manager für Kneipenausstattung etc. Als Reisejournalist wurde ich vier europäischen Kollegen zugewiesen, die gerade durch Down Under tourten:

Jo – schrieb für ein Wiener Boulevard-Blatt.

Peter – war Weinspezialist aus Südtirol.

Erwin – Sylter Koch, arbeitete für ein Gourmet-Magazin.

Manni – Restaurantkritiker aus Soest, charmant und wortgewandt.

 

Ein Herr in gebügelten Khakishorts, Kniestrümpfen und weißem Oberhemd stellte sich mit bestem Deutsch vor: „Ich heiße Sie herzlich willkommen. Mein Name ist Trevor. Man hat mich gebeten, Ihnen die Braukunst des südlichen Kontinents näher zu bringen.“

Jo hinterfragte: „Was hat Sie nach Down Under verschlagen?“

Trevor antwortete: „Mein Vater stammt aus Trier. Er lernte meine australische Mutter in München kennen. Seit 14 Jahren arbeite ich für die Brauereien in Down Under. Sie können mich in Ihren Artikeln gern als ‚Bierhistoriker‘ bezeichnen.“

Dann legte der Bierexperte los: „Bier wird in Australien seit der Kolonialisierung 1788 gebraut … Eine der ältesten Kneipen wird in Tasmanien heute noch betrieben ... In Pionierzeiten fehlte die Kühlung, um den Gerstensaft über weite Distanzen zu transportieren. Jede Stadt errichtete zum Stolz der Bürger eine eigene Brauerei. Diese lokale Bierloyalität hält bis heute an.“

 

Trevor gestikulierte mit den Armen durch die Weite des Zeltes: „An den Ständen ringsherum bieten die Brauer ihre Produkte an: Westaustralien ist vertreten mit den Bieren Swan und Emu; Südaustralien mit Coopers, West End und Southwark. Queensland präsentiert Castlemaine XXXX und Powers. Die beliebtesten Biere aus Victoria sind auch dabei: Carlton, Victoria Bitter und Melbourne Bitter. New South Wales bietet TooheysResch‘s und Tooths. – Doch lassen Sie uns starten bei der ältesten heute noch produzierenden Brauerei Cascade in Hobart.“

 

Auf dem Weg zum tasmanischen Stand bemerkte Manni: „Das bekannteste australische Bier Fosters haben Sie nicht erwähnt.“ Trevor wiegelte ab: „Das Produkt wird in vielen Ländern in Lizenz vertrieben. Die Markenrechte in Europa gehören zum Beispiel Heineken. Der Fosters-Marktanteil bei uns ist überschaubar.“

 

 

Am Cascade-Ausschank begrüßte uns eine dralle Barmaid

mit sechs randvoll gefüllten Gläsern: „G’day mates!  Unser Premium Lager  müsst ihr unbedingt probieren.

Mit Sommerhopfen gebraut hat das Bier einen Alkoholgehalt von 4,5 Prozent.“ 

Trevor stimmte uns ein: „Lassen Sie uns das Glas erheben auf die australische Brauzunft.“

Erwin prostete in die Runde und leerte das Glas zur Hälfte.

Peter gurgelte und spülte den Mund mit dem Hopfentee, bevor er ihn die Kehle runterrinnen ließ.

Manni prüfte mit dem Zeigefinger die Temperatur des Getränks, benetzte die Lippen und leerte das Glas Schluck für Schluck.

Jo kippte das Bier in einem Zug, rülpste und bat die Barmaid: „Fill her up, please!“

Ich bedankte mich bei der Tasmanierin: „Ihr Bier schmeckt hopfenherb. Es hat einen ausgesprochen würzigen Geschmack.“

Erfreut über meine Urteilskraft fuhr unser Bierhistoriker fort: „Die Cascade Brewery wurde 1824 in Hobart gegründet und ist die älteste noch tätige Brauerei in Australien. Zudem produziert seit 1883 die Boag’s Brewery in Launceston hervorragendes Bier. Diese tasmanische Köstlichkeit sollten wir später unbedingt probieren. Doch mit Blick auf den Zeitplan schlage ich vor, jetzt zum Nebenstand nach Queensland wechseln.“

 

Ein smarter Typ empfing uns mit sechs gefüllten Gläsern auf dem Tablett: „Das populärste Bier im Sunshine-State – wenn nicht auf dem gesamten Kontinent – ist Castelmaine XXXX. Die four X stehen ursprünglich für den Alkoholgehalt. Unser Produkt wird in Tinnies (375-ml-Dosen) oder Stubbies und Tallies (Flaschen) angeboten und in fast jedem Pub in Queensland vom Fass.“ 

Trevor: „Lassen Sie uns das Glas erheben auf die australische Brauzunft.“

Erwin prostete und leerte das Glas zur Hälfte.

Peter gurgelte und spülte den Mund, bevor er das Bier die Kehle runterrinnen ließ.

Manni prüfte mit dem Zeigefinger die Temperatur, benetzte die Lippen und leerte das Glas.

Jo kippte das Bier herunter, rülpste und bat: „Fill her up!“ 

Ich bestätigte dem Sonnyboy: „Hopfenfrischer Genuss!“

 

Unser Bierexperte fuhr fort: „Neben den großen Marken gibt es zahlreiche junge Braumeister mit kreativen Produkten. Die müssen Sie später unbedingt probieren. Mit Blick auf den Zeitplan schlage ich vor, dass wir zum Nachbarstand nach Victoria wechseln.“

 

Ich erspare mir die Ausführungen über die exzellenten Präsentationen von Carlton Draught und Victoria Bitter. Auch berichte ich nicht über Jos Anmache-Versuche bei der Swan-Kellnerin am westaustralischen Stand. Die Handlungen waren ohnehin immer ähnlich:

Trevor: „Lassen Sie uns das Glas erheben auf die australische Brauzunft.“

Erwin prostete und leerte das Glas.

Peter spülte den Mund, bevor er das Bier die Kehle runterrinnen ließ.

Manni hielt das Glas zwischen Zeigefinger und Daumen, dann leerte er das Glas.

Jo kippte das Bier herunter und rülpste: „Fill her up!“ 

Meine Kommentare wurden auch nicht geistreicher: „Hopfenfrisch und würzig im Geschmack.“

 

Während wir uns von Stand zu Stand tranken, vermittelte uns der Bierfachmann: ‚Zapftemperatur sechs Grad, daher wenig Schaum. Glasgrößen: Pony, Midi, Schooner, Pint und Jag. Beliebte Pub-Speisen: Steaksandwich, Fish- oder Chicken Batter, Spagbol (Spaghetti Bolognese) ...

Jos kritische Fragen beantwortete Trevor verbindlich: „In der Tat, bis Mitte der Siebzigerjahre war Frauen der Zutritt zu Public Bars verboten. Danach sorgten Antidiskriminierungs-Gesetze dafür, dass auch Damen die Pubs besuchen dürfen.

Dann wurde der Experte bierselig: „Im Laufe der Zeit hat sich ohnehin vieles geändert. Die meisten Brauereien gehören heute internationalen Konzernen. Steuererhöhungen, Rauchverbote und Promille-Grenzen für Autofahrer lassen die Umsätze in den Pubs schrumpfen. Hinzu kommen Einschränkungen der Alkoholwerbung …“

 

Pub With No Beer - Foto: nambuccatourism.au

 

Irgendwann stimmte ein Typ aus der Marketinggruppe das Lied ‚Pub With No Beer‘ an.

Die Gesamtheit der Bierverkoster im Zelt grölte mit.

In trauter Harmonie johlte unsere Gruppe die deutsche Version: ‚Ich steh‘ an der Bar und habe kein Geld‘.

 

Gegen Ende der Veranstaltung bat uns der Bierologe zum Ausschank von New South Wales. Manni legte den Arm um meine Schulter.  Gemeinsam schwankten wir in Richtung Stand mit dem riesigen Foto von Harbour-Bridge und Opera House. Zwei freundliche Bardamen reichten uns randvoll gefüllte Gläser: ‚Herzlich willkommen zu einem köstlichen Resch’s!“

 

„Diese Story wird Sie interessieren“, haspelte unser Bierexperte mit erhobenem Zeigefinger, „Edmund Resch kam 1863 nach Down Under. Dem gebürtigen Dortmunder mundete das australische Bier wohl nicht. 1873 gründete er die Löwenbrauerei in Wilcannia mit Niederlassungen in Silverton und Tibooburra ...“ Der Biologe stockte. Nach einem Ausfallschritt schaute er irritiert in die Runde. Dann ergänzte er mit schwerer Zunge und abschließendem Rülpser: „Die Nachfolger benannten 1902 das Bauimperium Resch’s ...“

 

Das Ende der Experten-Ausführungen bekam ich nicht mehr mit. Ich musste dringend zum WC und ins Bett. Ich erinnere mich aber gut an die Abschiedsworte meiner Kumpels:

Jo: ‚Kino ein?‘ – Peter: „Hasso fass?“ – Erwin: „Hausschuh ab?“ – Trevor: „Wirsing!“

Und der Soester Restaurantkritiker kam zur Erkenntnis: „Ja, zu Philosophen!“

 

Die Nacht war schlimm: Endlos grölten die Saufkumpane im Nachbarzimmer den Ballermann-Hit: ‚Wir sind blau wie das Meer und voll wie der Strand; breit wie der Horizont liegen wir im Sand …‘

Der nächste Tag war schlimmer! Meine Zunge klebte auch nach zwei Alka-Seltzer pelzig und klobig am Gaumen. Schwindelgefühle und Schüttelfrost übermannten mich den ganzen Tag. – Alkohol ist ein hinterhältiger Teufel! Aber, was tut man nicht alles für den Job?

 

Bei all dem Stress hätte ich fast vergessen, Ihnen meine australischen Lieblingspubs zu verraten:

Der Purple Pub in Normanton, Queensland – trotz später Stunde lieferte der ‚best butcher in town‘ die Steaks persönlich! Erst hinterher erfuhr ich, dass es in Normanton nur einen Metzger gibt.

Das Curtin Spring Roadhouse am Lasseter Highway, NT – die gebuchte King Suite stellte sich als Bruchbude heraus (die Räume wurden 2018 renoviert). Das Gala-Dinner fiel aus, da der Koch krank war. Aber die netten Gespräche mit Sue und Ian an der Bar bleiben in ewiger Erinnerung.

Last but not least: Meine Stammkneipe in Sydneys Vorort Woolloomooloo – wo hätte ich sonst so gut australisch lernen können: ‚Com'on Robbo, givuzzanaddabeerwillya?‘

 

Auf dem Rückflug nach Frankfurt hatte ich Zeit, über die Lebensweisheiten meiner Saufkumpane zu sinnieren. Wenn ich mich nicht täusche, fragte Jo: ‚Bekomme ich bitte noch ein Bier?‘  Peter und Erwin reagierten: ‚Hast du etwas?‘ und ‚Haust du schon ab?‘. Trevor verabschiedete mich mit einem freundlichen: ‚Auf Wiedersehen!‘ Und Manni kam zu der legendären Erkenntnis: ‚Ja, wir haben zu viel getrunken!“

ENDE

 

© Klaus Kilian 

 

PS: Auch in Deutschland müssen SIE nicht auf australisches Bier verzichten!

Viele der erwähnten Biermarken gibt's bei  Australia Shopping World

 

 

REAKTIONEN:

Über die Geschichte haben wir uns kaputtgelacht!

…schöne Story, die zeigt, wie tief du dich immer in die Materie einarbeitest. 

Da sieht man´s mal wieder: So schön ist Journalismus... leider sind solche Zeiten lange vorbei!

Klasse Geschichte – hätte gern mit probiert.

Was du nicht alles erlebst…

Hat Spaß gemacht, die Schmunzel-Geschichte zu lesen. Freue mich auf mehr!

Als zukünftiger Victorian bevorzuge ich natürlich VB 

Die Pub-Geschichte von Klaus Kilian fand ich langweilig. Das könnte ich auch schreiben. Gerhard W., NSW

 

... und so stand die Geschichte in der 'Woche in Australien':

 

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